Mediatior*innen bzw. der Mediation insgesamt wird oft der Vorwurf gemacht, dass im Falle eines Kräfteungleichgewichtes zwischen den Medianten die schwäche Person ohne Unterstützung einer parteiischen Rechtsvertretung übervorteilt werden könne. Dies ist auf jeden Fall ein sehr ernst zu nehmender Einwand gegen Mediation. Aus meiner Sicht hängt das Gelingen einer Mediation in einem solchen Fall davon ab, wie Mediator/Mediatorin mit einem Machtungleichgewicht umgeht. In einem Verfahren, in dem zwei parteiische Verfahrensbevollmächtigte die Parteien vertreten wird davon ausgegangen, dass ein etwaiges Ungleichgewicht der Parteien durch die kompetente und professionelle Vertretung durch Anwälte vor Gericht ausgleichen wird. Im Gegensatz hierzu wird in der Mediation idealtypischer Weise davon ausgegangen, dass zwei oder mehrere gleichstarke, autonome Kontrahenten eine neutrale Person zur Unterstützung bei der Klärung ihres Konfliktes aufsuchen. Oft ist in der Realität aber das Gegenteil der Fall, so dass Macht und Ohnmacht ungleich verteilt sind.
Hier muss nun die Mediation einen Rahmen gewährleisten, in dem das Ungleichgewicht der Kräfte – der Machtkampf – nicht ausgelebt werden kann. Der Rahmen der Mediation muss hier gewährleisten, dass jede Person in ihrer Autonomie gestützt, gestärkt und gefordert wird. Nur wer selbst weiß, welche Interessen und Bedürfnisse er/sie für die Zukunft hat, ist auch in der Lage, die Realität der anderen Seite zu verstehen. Die Herausarbeitung der Unterschiede und ihre Anerkennung ist ein zentrales Element der Mediation und eine wichtige Seite des Mediationsrahmens.
Methodisch geschieht dies durch die Separierung der Parteien.
Der/die Mediatorln ist unterstützend tätig bei der Aufgabe, von einem „wir“ zu einem „ich“, und damit zur autonomen Interessenswahrnehmung zukommen.